Inka: Größtes Imperium des alten Amerika

Inka: Größtes Imperium des alten Amerika
Inka: Größtes Imperium des alten Amerika
 
Bei Ankunft der Spanier 1532 nahm das Reich der Inka eine Fläche von 900 000 km² ein und erstreckte sich über 5000 km vom Río Ancasmayo im heutigen Kolumbien bis zum Río Maule im heutigen Chile. Es war aber kein altes Reich, wie es die Inka-Überlieferungen darzustellen versuchten. Der Aufstieg der Inka von einem kleinen Volk zum größten Imperium des alten Amerika vollzog sich in knapp 100 Jahren. »Tahuantinsuyu«, die »vier Regionen« oder die »vier Richtungen«, nannten die Inka ihr Reich in der »Sprache der Menschen«, dem »Runasimi« der Ketschua. Im Zentrum des Reiches, wo sich die Grenzen der vier »Suyu« schnitten, lag die Hauptstadt Cuzco, der »Nabel«. Die Ursachen für die raschen Eroberungen der Inka lassen sich neben anderen vor allem auf zwei Faktoren zurückführen: ihre pragmatisch ausgerichteten, organisatorischen Fähigkeiten einerseits und ihr politisch-religiöses Sendungsbewusstsein andererseits.
 
Die Überlegenheit der Inka-Heere bestand nicht in der Waffentechnik, sondern beruhte auf der guten Organisation der Kriegsmaschinerie, der besten Altamerikas. Im Prinzip gab es kein stehendes Heer, doch stand im Kriegsfall - und den gab es fast immer - durch die Zwangsrekrutierung der Bauern jederzeit eine schlagkräftige Miliz zur Verfügung, denn im Rahmen des Arbeitsdienstes (»mita«) musste Militärdienst abgeleistet werden. Andere organisatorische Einrichtungen wie das vorzügliche Nachrichtenwesen und die Registrierung der gesamten Bevölkerung garantierten eine kurzfristige Mobilisierung. Der schnelle Aufmarsch der Truppen sowie der Nachschub mit Lamakarawanen waren durch die nach strategischen Gesichtspunkten angelegten Straßen gewährleistet. Vorratslager entlang der Straßen sicherten eine ausreichende Proviantierung mit frischen Lebensmitteln, dazu kamen Trockenfleisch und Trockenkartoffeln.
 
Eine wirkungsvolle, jedoch brutale Maßnahme zur »Befriedung« aufständischer Provinzen waren die Massendeportationen und Zwangsumsiedlungen von ganzen Völkerschaften. Meist ging man so vor, dass man Völker aus neu eroberten Gebieten mit jenen aus dem Kerngebiet des Reiches austauschte. Diese Zwangsumsiedlungen dienten dabei nicht nur der Sicherung der neu einverleibten Gebiete, sondern beschleunigten auch den Integrationsprozess. Durch die Verbreitung der Staatssprache, des Ketschua, und der Staatsreligion, des Sonnenkultes, war die »Inkaisierung« der anderen Völkerschaften gesichert. Die zivile Organisation beinhaltete für das Volk »Mita« wie Militärdienst, Bergwerksarbeit, den Bau von Festungen, Palästen, Straßen, Brücken, Ackerbauterrassen und Bewässerungsanlagen. Außerdem gehörte zur zivilen Organisation ein Beamtenapparat aus Inspektoren, Verwaltern und Eilkurieren. Der Beamtenapparat führte auch die Erfassung etwa der Altersklassen mithilfe der Knotenschnüre durch und kontrollierte das Volk und die Tributleistungen, die aus Arbeiten auf Staats- und Kirchenfeldern sowie Ernteerträgen, Wolle, Gewebe und Ähnlichem bestanden.
 
Da die offizielle Religion, die Sonnenverehrung, vom Staat vorgegeben und ihre Priesterschaft vom Staat unterhalten wurde, hatte sie den Charakter einer Staatskirche. Die Sonne galt als der große Gott und Stammvater des Herrscherhauses. Dieser Auffassung entsprang letztlich das Überlegenheitsgefühl der Inka-Dynastie; sie wurde im Lauf der Zeit von Staat und Kirche für politische Zwecke eingesetzt. Denn als Nachkommen der Sonne brachte man einerseits den Segen der wahren Religion, und nach der Legende des ersten Inka, Manco Capac, waren die Inka andererseits auch die Urheber der Kultur. Der Sapan Inka (= einziger Inka) herrschte von Gottes Gnaden, da er sich als direkter Abkömmling des Sonnengottes betrachtete. Der Hochadel von Cuzco, der sich aus der Familie des herrschenden Inka und den Sippen der früheren Inka-Herrscher zusammensetzte, lenkte den Verwaltungsapparat des Reiches.
 
In der Architektur der öffentlichen Gebäude offenbart sich wie in der Kunst ein einheitlicher, imperialer Reichsstil, der von Cuzco ausging und in allen Provinzen anzutreffen ist. Seine typischen Merkmale sind schmucklose Fassaden aus monumentalem Steinmauerwerk mit trapezförmigen Toren, Fenstern und Nischen. Nicht »Kunst am Bau«, sondern Präzision und Perfektion der technischen Ausführung zeichnet die Bauwerke der Inka aus. Noch immer beeindruckende Beispiele dieser Baukunst sind die Ruinenstadt Machu Picchu, Pisac, die Festungen Ollantaytambo und Sacsayhuamán sowie verschiedene Bauwerke in Cuzco.
 
Auch in der Handwerkskunst entwickelten die Inka einen eigenen Stil, der sich im Zuge ihrer Eroberungen im gesamten Andengebiet verbreitete. In der Form ist er durch eine klare, oft funktional bedingte, jedoch in den Proportionen ausgewogene und dadurch elegant wirkende Komponente geprägt; der Dekor hingegen wirkt streng und bevorzugt symmetrische und geometrische Ornamente. Selten finden sich figurale Motive und wenn, so wirken sie steif und starr. Diese Stilmerkmale gelten für Keramiken wie Teller, Becher und Aryballos (kugelförmige Gefäße mit konischem Boden) sowie für Steinarbeiten wie Mörser, Schalen, kleine Lama- und Alpakafiguren, ferner für die technisch hervorragend gewebten Textilien und für die Holzbecher, die erst nach der spanischen Eroberung ihre szenenhafte Bemalung erhielten. Auch die Metallgegenstände aus Gold, Silber, Kupfer und Bronze sind durch diesen nüchternen und schematisierenden Stil gekennzeichnet.
 
Dr. Peter Kann
 
 
Die Indianer. Kulturen und Geschichte. Band 2: Münzel, Mark: Mittel- und Südamerika. Von Yucatán bis Feuerland. München 51992.
 Lavallée, Danièle und Lumbrerars, Luis Guillermo: Die Andenvölker. Von den frühen Kulturen bis zu den Inka. Aus dem Französischen und Spanischen. München 1986.
 Stierlin, Henri: Die Kunst der Inka und ihrer Vorläufer. Von Valdívia bis Machu Picchu. Aus dem Französischen. Neuausgabe Stuttgart u. a. 1997.

Universal-Lexikon. 2012.

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